Chefs wollen nicht länger Zielscheibe beim Lästern sein und Mitarbeiter nicht am Motivationstropf der Vorgesetzten hängen, schreibt Karrierecoach Martin Wehrle. manager-magazin.de präsentiert Auszüge aus seinem neuem Buch “Der Feind in meinem Büro”. Heute: Was nötig ist, damit Chefs und Mitarbeiter an einem Strang ziehen.
Der Chef sagt dem Mitarbeiter: “Das Protokoll muss bis Freitag geschrieben sein, sonst bekommen wir Schwierigkeiten”. Also schreibt der Mitarbeiter das Protokoll bis Freitag (aber nicht bis Donnerstag). Der Chef droht dem Unpünktlichen: “Sie riskieren eine Abmahnung!” Also kommt der Mitarbeiter pünktlich (aber nur, falls der Chefs im Haus ist; sonst schläft er aus).
Bei der “negativen Verstärkung” verhalten sich Chefs und Mitarbeiter wie Erpressungsopfer: Sie tun zähneknirschend, was von ihnen verlangt wird, um unangenehme Konsequenzen zu vermeiden – aber keinesfalls mehr. Wer gibt einem Erpresser schon Trinkgeld?
Um Frust und Langeweile aus den Büros zu vertreiben, gibt es ein Zaubermittel ganz anderer Art: die “positive Verstärkung”. Das Prinzip, vom Verhaltensforscher Burrhus F. Skinner entdeckt, ist einfach: Der Mitarbeiter tut oder sagt etwas. Weil er es tut oder sagt, bekommt er eine gewünschte Belohnung. Weil er diese Belohnung bekommt, fühlt er sich gut. Und weil er sich gut fühlt (und sich erneut gut fühlen will), wiederholt er sein Verhalten.
Die positive Verstärkung steht in dem Ruf, dass sie Menschen beflügelt und über gesteckte Ziele hinausschießen lässt. Motivationsgurus versprechen Leistungssteigerungen von bis zu 300 Prozent.
Allerdings bauen manche Chefs die positive Verstärkung nicht einfach in den Alltag ein, sie machen eine Inszenierung daraus: Sie werfen mit Lob nur so um sich, setzen Prämien aus, wählen einen Mitarbeiter des Monats, locken mit Betriebsausflügen und Incentive-Reisen.
All diese positiven Verstärkungen können höchst wirksam sein – zu Anfang. Aber: Wer einmal Mitarbeiter des Monats war, möchte es beim nächsten Mal zum Mitarbeiter des Jahres bringen. Wer einmal eine Prämie von 1.000 Euro erhalten hat, den locken beim nächsten Mal nur noch 1.500 Euro hinter dem Ofen hervor. Die Summen müssen immer höher werden, das Motivationsrad muss sich immer schneller drehen. Am Ende droht Motivationsdoping für ausgebrannte Mitarbeiter.
[…]Würden die Chefs dasselbe Maß an Energie, mit dem sie Mitarbeiter für uninteressante Aufgaben motivieren wollen, darauf verwenden, diese Aufgaben interessanter zu machen: Die Flagge der Motivation würde wieder fröhlich im Wind wehen.